Die Ausstellung
Im Fokus der Installation breath steht allein der menschliche Atem. Schenken wir ihm auch selten Beachtung, ist er neben dem Herzschlag doch das zentrale Lebenszeichen unserer Existenz. Der Atem und sein Leben spendender Rhythmus sind ein Faszinosum, das in Schöpfungsmythen vieler Kulturen eine bedeutsame Rolle spielt. Der Atem haucht uns das Leben förmlich ein.
Zweifellos zählt das Werk der japanischen Künstlerin Rei Naito (*1961) zu den herausragenden Positionen der internationalen Gegenwartskunst. Ihre Installationen, zu denen auch breath zählt, stehen konzeptuell und ästhetisch den Arbeiten der amerikanischen Malerin Agnes Martin (1912 – 2004) und der deutsch-amerikanischen Bildhauerin Eva Hesse (1936 – 1970) nahe. Ihnen gemeinsam ist die kompromisslose Suche nach einer ultimativen ästhetischen Quintessenz.
Das Herzstück der Ausstellung breath bilden 50 Aquarelle, die Rei Naito im zurückliegenden Jahr für München geschaffen hat. Die chronologische Hängung lässt sie wie ein visuelles Tagebuch erscheinen. Der Werktitel colour beginning benennt den Auslöser der künstlerischen Recherche. Rei Naito lässt die Farbe für sich sprechen. In den zarten Malereien sprudelt die Wasserfarbe sozusagen unvermutet aus dem Nichts des weißen Blattes hervor. Die kompositorische Ordnung scheint in Fluss zu geraten und über die Blattgrenzen hinaus drängen zu wollen. Das jeweils zweite Blatt der zu Diptychen gruppierten Werke reagiert auf die koloristische Setzung des ersten. Naitos wechselvolles malerisches Zwiegespräch, das im Verlauf des Jahres unterschiedliche Tonlagen anstimmt, lässt sich von Blatt zu Blatt ablesen: Welche Bedeutung hat es, wenn die Farbe, hier als Metapher für unsere Lebensfreude, zurückkehrt? Wie geht man mit der neuen Lebenslust um, nachdem die Welt in den letzten zwei Jahren den Atem angehalten hat und das Leben nahezu stillstand?!
Auf den ersten Blick könnte man versucht sein, in dem radikalen Minimalismus von Rei Naitos feinnervigen Rauminstallationen einzig die von uns bewunderte unvergleichliche Vollkommenheit und asketische Strenge der japanischen Ästhetik zu sehen, die in der westlichen Welt bis heute nahezu unerreicht bleibt. Stellt sich aber der glückliche Augenblick ein, von Rei Naitos Münchner Ausstellung breath berührt zu werden, erlebt man hautnah, dass es in der Installation um weitaus mehr geht und mit breath universelle Fragen thematisiert werden, die uns alle bewegen. Sie sind Teil unseres inneren Kompasses, der uns unseren Weg zeigt.
In den Ausstellungsräumen der Staatlichen Graphischen Sammlung München spricht uns Rei Naito auf sehr unterschiedliche Weise mit subtilen künstlerischen Setzungen an. Wir sind eingeladen, Teil der Installation und handelnde Akteure zu werden. Jeder tritt für sich selbst in einen erkenntnissetzenden Dialog mit seinen Erfahrungen, Wünschen und Perspektiven für das Leben ein.
breath fordert unsere Achtsamkeit heraus. Es sind eben diese leisen, flüchtigen Sinneseindrücke, denen wir uns kaum auszusetzen wagen, in unserer auf Leistung und Effizienz bestimmten Welt. Mag sein, dass die Geschicke der letzten Jahre in uns die Sehnsucht zum Umdenken ausgelöst haben. Dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, Rei Naito in der Pinakothek der Moderne als einem Haus für Gegenwartskunst vorzustellen.
Mit der Ausstellung breath von Rei Naito wirft die Staatliche Graphische Sammlung München zum wiederholten Mal nach den jüngsten Projekten mit Gerhard Richter, Michael E. Smith, Cecily Brown und nicht zuletzt Tony Cragg kritisch die Frage auf nach der Bedeutung der Zeichenkunst im 21. Jahrhundert als Impulsgeberin innerhalb der bildenden Künste und nach ihrer Rolle als existenzielle Ausdrucksform des menschlichen Intellekts und seiner Schöpfungskraft. Mit diesem Projekt wünschen wir uns einmal mehr, mit Ihnen einen Blick in die vielversprechende und spannende Zukunft der Zeichenkunst zu werfen.
Eröffnung: 7. Juni, 18:30 Uhr
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Heute noch bis 18.00 Uhr geöffnet
Täglich 10.00 - 18.00 Uhr
Donnerstag 10.00 - 20.00 Uhr
Montags geschlossen
Barer Straße 40
80333 München