KunstWerkRaum
31. Juli 2019 · von Sophia Opel
Interkultureller Workshop
„Yes, we’re open!“ – nicht umsonst ist dies das Selbstverständnis des interkulturellen Workshops KunstWerkRaum. Unser Programm richtet sich an alle Menschen, und damit an einen maximal möglichen Pool verschiedener Sprachen. Hier ist nicht nur die gesprochene Sprache gemeint, sondern alle Sprachformen, die wir uns vorstellen können.
So kommt es vor, dass in einer Gruppe zahlreiche Muttersprachen aufeinandertreffen. Doch auch innerhalb ein- und derselben Sprache wird sich eine ältere Frau anders ausdrücken als ein jugendlicher Mensch und andere Worte benutzen.
Facetten der Sprache
Uns allen bekannt ist der Begriff der Sprachbarriere – die Vorstellung, Sprachen und ihre Unterschiede würden uns voneinander isolieren. Der verbleibende gemeinsame Nenner würde so klein, dass wir uns nicht darauf verständigen könnten.
Unser Ziel ist es jedoch, uns nicht auf die Defizite, die Unterschiede in unserer Sprache und Sprechweise zu konzentrieren, sondern auf die Gemeinsamkeiten, die Verbindungspunkte. Wir alle artikulieren unser Denken, sind also fähig zur Sprache. Und die Art und Weisen, WIE wir es artikulieren, sind so vielfältig wie die Menschen, die im KunstWerkRaum zusammenfinden.
Wenn wir Kunst betrachten, so bietet sie uns den großen Vorteil, dass wir das, was wir meinen, zeigen können. Was der Einzelne meint, ist für alle visuell erfahrbar. Eine solche gemeinschaftliche Konfrontation mit der Kunst birgt das Potenzial, zusammen etwas zu erarbeiten, das man als einzelner Betrachter nicht in der Lage ist zu generieren. Dies kann funktionieren, wenn wir unsere eigene Perspektive darlegen und teilen, aber gleichzeitig verstehen, dass auch jede andere Perspektive die gesehene Wirklichkeit abbildet.
KunstWerkRaum: KlangSpielPlatz
Die Kunst zum Klingen bringen.
Der KunstWerkRaum findet zu jedem Termin unter einem bestimmten Thema statt. Diese Themen wiederholen sich zwar in einem gewissen Turnus, haben aber – so zeigt die Erfahrung – das Potenzial, ganz unterschiedliche Erlebnisse hervorzubringen.
Unter einer recht unkonventionellen Devise kamen Ende Januar etwa zehn Teilnehmer im KunstWerkRaum zusammen: Die Kunst zum Klingen zu bringen.
Ausgangspunkt für dieses Thema ist der „Klangspielplatz“, welcher, dank einer Kooperation mit der Schauburg – dem Theater für junges Publikum der Landeshauptstadt München in den Räumlichkeiten der Pinakothek der Moderne aufgestellt war.
Rhythmen, Franz Marc und Wassily Kandinsky
Zu Beginn brachten wir erst einmal unsere eigenen Namen zum Klingen: Alle Teilnehmer durften sich einander vorstellen. Wir bekamen je zwei Drumsticks ausgehändigt und durften unsere Namen in einem von uns gewählten Rhythmus „vortragen“, den die anderen dann nachklopften. Die Gruppe übte sich nun darin, verschiedene Rhythmen vorzugeben, zu imitieren und zu kombinieren, was allen viel Spaß bereitete. Nach der rhythmischen Einstimmung ging’s dann in die Ausstellung, genauer gesagt vor Bilder von Kandinsky und Franz Marc, große Formate mit einer breiten Farbpalette und abstrakten Formen. Ein paar der Teilnehmer*innen hatten die Bilder schon gesehen. Jedoch verzichteten wir darauf, sie inhaltlich oder formal zu beschreiben – zumindest nicht mit Worten.
Mit einfachem Kopierpapier übersetzten wir die bunte, dynamische Formensprache, die sich uns auf der Leinwand zeigte, in Töne aller Art. Die Teilnehmer*innen zeigten sich hier sehr kreativ: Das Papier wurde wellenartig bewegt, zerknüllt, eingerissen oder ruckartig gespannt, je nachdem, welches Bildelement zum Ausdruck kommen sollte. Selten hatte ich mich einem abstrakten Kunstwerk auf so simple und zugleich sinnliche, effektive Weise angenähert. Eine verbale Beschreibung brauchte es nicht, um das auszudrücken, was jeder von uns sah. Gesprochen wurde dann aber auch über die Werke. Die „Kämpfenden Formen“ von Franz Marc riefen bei den Teilnehmern vielfältige Assoziationen hervor: rechts ein dunkler „Strudel“, der sich „langsam“, „dumpf“ und „bedrohlich“ zu bewegen scheint, rechts die rote, „laute“, „explodierende“ Form, die an züngelnde Flammen erinnert. Dass letztere den Kampf gewinnen wird, da waren sich fast alle einig.
Angefüllt mit Eindrücken, Bildern, Worten und Klängen begaben wir uns nun endlich gemeinsam in den Klangspielplatz. Eine riesige Spirale, bestückt mit ausrangierten Instrumenten oder Fragmenten davon, mit verschiedensten zu Klangkörpern umfunktionierten Werkstoffen, Rohren, Drähten und Blechen. Es ging nun darum, in Zweierteams eine eigene musikalische Komposition, eine Übersetzung des gesehenen Gemäldes zu erschaffen.
Kämpfende Formen und neue Bekanntschaften
Auch wir Teilnehmer lernten uns so noch einmal neu kennen, denn wir sollten uns einen Partner aussuchen, den wir vorher noch nicht kannten. So kam es, dass das kleine Mädchen in der Gruppe die Hand ihrer Oma losließ und ein Team mit dem leitenden Kunstvermittler bildete; auch die beiden Männer aus Afghanistan, die gemeinsam gekommen waren, teilten sich auf. Die so entstandenen Paare übten je ein kurzes Stück auf dem Klangspielplatz ein, musikalische Dialoge, die die „Kämpfenden Formen“ in unser aller Vorstellung zum Leben erwecken sollten.
Abschließend wurden die Kompositionen präsentiert. Die Teilnehmer lauschten aufmerksam und gespannt darauf, was die anderen Teams wohl aus dem Gesehenen gemacht hatten. Etwa fünf Dialoge waren entstanden, „Kämpfe“, die sich in ihrer Dramaturgie und auch in den gewählten Instrumenten meist unterschieden. Alle von ihnen ernteten Applaus und lobende Worte. Diese letzte Aufgabe hinterließ in mir, und vermutlich auch in den anderen Teilnehmern, das schöne Gefühl, sich überwunden zu haben. Etwas Kreatives zu ersinnen und dann anderen zu präsentieren, auch das ist eine sehr kraftvolle Form von Sprache, und jeder Mensch ist dieser Sprache mächtig.