Die Ausstellung
Zweifellos zählt Hermann Glöckner (1889 Dresden–1987 Westberlin) heute zu den Ausnahmekünstlern unter den Avantgardisten der deutschen klassischen Moderne. Trotz widriger politischer Umstände in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur und des darauf folgenden DDR-Regimes in Ostdeutschland hat er als ‚Nonkonformer‘ in Dresden über Jahrzehnte hinweg in Abgeschiedenheit kontinuierlich ein herausragendes künstlerisches Werk geschaffen, das es noch immer zu entdecken gilt.
Lange Zeit faszinierten Glöckners Arbeiten zuvorderst Künstler. Hermann Glöckner eilt bis heute der noble Ruf eines ‚Artist’s Artist‘ voraus. Zugleich stand er von der Kunstgeschichte nahezu unbeachtet im Schatten der etablierten Meister der klassischen Moderne. Erst in den letzten Jahren wurde sein singulärer künstlerischer Beitrag über Grenzen hinweg in größere kunsthistorische Zusammenhänge gestellt und als Neuentdeckung auch einem internationalen Publikum vorgestellt.
In der Münchner Ausstellung "Hermann Glöckner – Ein Meister der Moderne" begegnen sich in einer Zusammenschau Beispiele seines frühen "Tafelwerks" aus der Zeit von 1930 bis 1935 und eine Gruppe seiner "Modelli" der 1960er- und 1970er-Jahre, die als Entwürfe zu geplanten großformatigen skulpturalen Faltungen verstanden werden können. Erstmals werden diese zentralen Werkgruppen seines abstrakt-konstruktiven Œuvres einer konzentrierten kunsthistorischen Betrachtung unterzogen. Beide muss man als fortlaufende künstlerisch-konzeptuelle Studien verstehen, die für Hermann Glöckner eine Inspirationsquelle von großer Bedeutung waren und zugleich ein Schlüssel zum Verständnis seiner gesamten Arbeit sind.
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Heute noch bis 18.00 Uhr geöffnet
Täglich 10.00 - 18.00 Uhr
Donnerstag 10.00 - 20.00 Uhr
Montags geschlossen
Barer Straße 40
80333 München
Sonntag Eintritt 1€
Dienstag bis Samstag regulär 10€
ermäßigt 7€
Sonntag regulär 1€
Tagesticket (Alte Pinakothek, Pinakothek der Moderne, Museum Brandhorst, Sammlung Schack) 10€
Vor diesem Hintergrund konzentriert sich die Auswahl der frühen Tafeln auf die Jahre 1930 bis 1935. Es ist genau jener Zeitraum, in dem Glöckner beginnt, das Vokabular seiner Ideen in einem später als "Tafelwerk" bezeichneten Studienwerk festzuhalten. Dessen Genese vorausgegangen war eine Krise des Künstlers, nach der er einen völlig neuen Ansatz fand. Das "Tafelwerk" wird er dann in zeitlich größeren Abständen und in mehreren Schaffensphasen fortführen, in den Themen variieren und erweitern. Glöckner hat die Tafeln als eigene Gattung verstanden. Trotz der formal-konstruktiven Strenge spricht aus ihrer Bearbeitung eine spielerisch-intuitive Leichtigkeit. Diese vermeintlich künstlerisch-konzeptuelle Dissonanz ist konstitutiv für Glöckners Gesamtwerk, ohne die diese gestalterische Varianz von Werken undenkbar wäre. Anschaulich wird das an einer fulminanten Gruppe ausgestellter Zeichnungen, Monotypien und Collagen Hermann Glöckners, die sukzessive in den zurückliegenden drei Jahren von der Staatlichen Graphischen Sammlung München erworben wurden und die seine gesamte Schaffenszeit von den 1920er- bis zu den 1980er-Jahren exemplarisch abdecken.
Der zweite Teil der Ausstellung widmet sich Hermann Glöckners "Modelli" der 1960er- und 1970er-Jahre. Sie sind der Ausgangspunkt seiner räumlich-plastischen Faltungen aus Papier, Pappe und Pappkarton. Sie wären ohne die konstruktiv-künstlerischen Recherchen des frühen "Tafelwerks" kaum denkbar. Zugleich bilden sie wie die Tafeln eine Art Vokabular und entstehen im Kontext anderer raum-plastischer Objekte. Mit der ihm eigenen spielerischen Konsequenz setzt Hermann Glöckner seine "Tafelwerk"-Recherchen in den "Modelli" plastisch fort. Der zeitliche Abstand beider Werkgruppen ist wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass der Künstler in der Zwischenzeit kräftezehrende praktische Bauaufgaben übernehmen musste, um seine Existenz finanziell zu sichern.
In ihrer materiellen Einfachheit strahlen die "Modelli" bis heute die künstlerische Unbefangenheit von Ideenskizzen aus, in denen sich unkonventionelle künstlerische Experimente frei erproben lassen und im Kleinen das Große vorstellbar wird. In seinem Atelier, das sich im Wesentlichen auf einen großen Raum im Künstlerhaus Dresden-Loschwitz beschränkte, waren sie auf den Arbeitstischen allgegenwärtig, und Hermann Glöckner tauchte förmlich in diese Ideenwelt ein.
Dass Hermann Glöckners nicht erhaltenes Künstleratelier einen einzigartigen Denkraum und wenn man so will gewachsenen Organismus darstellte, bezeugen die ausgestellten Vintage-Photographien des 1961 in Dresden geborenen Werner Lieberknechts. Sie geben uns einen Eindruck von Glöckners Atelier wenige Monate nach seinem Tod, als der junge Photograph im Herbst 1987 die Gelegenheit bekam, bei mehreren Besuchen das unberührte Atelier zu dokumentieren.
Vor dem Hintergrund dieser Werkauswahl für die Münchner Ausstellung "Hermann Glöckner – Ein Meister der Moderne" ist zu fragen, ob Hermann Glöckner einen eigenen erweiterten Kunstbegriff mit spezifischen Gesetzmäßigkeiten und Regeln jenseits des klassischen Werkbegriffs entwickelte, der die Grenzen zwischen "High and Low" außer Kraft setzt und der ihn einmal mehr in die erste Reihe der Neuerer unter den Avantgardisten rückt.
Veranstaltungen
27.11.2019 Studientag: Hermann Glöckner – ein Missing Link der Moderne?
Eine Kooperationsveranstaltung der Staatlichen Graphischen Sammlung München und des Zentralinstituts für Kunstgeschichte München.
14.00 - 15.30 Uhr Ausstellung Hermann Glöckner – Ein Meister der Moderne
Pinakothek der Moderne, Rundgang durch die Ausstellung
16.00 - 17.30 Uhr Einführung zu Hermann Glöckner
Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Katharina-von-Bora-Str., Raum 242
Michael Hering: Monochrome Tafeln
Konstanze Rudert: Glöckner im Kontext der Moderne
Franziska Stöhr: Die Faltungen in Hermann Glöckners Werk
Pause
18.00 - 19.15 Uhr Podium: Hermann Glöckner – ein Missing Link der Moderne?
Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Katharina-von-Bora-Str., Raum 242
Das Podium widmet sich der Frage, ob Hermann Glöckner ein Missing Link in der Klassischen Moderne darstellt, welche Bedeutung er zunehmend für zeitgenössische KünstlerInnen hat und aus welchem Mangel heraus sich der plötzliche Bedeutungszuwachs seines Werks ergibt.